Wie digitale Brennertechnologie den Gasverbrauch senkt
Stand: November 2025Tradition trifft Transformation im Warmwalzwerk Königswinter
Wie viele Betriebe der energieintensiven Stahlindustrie steht auch das Warmwalzwerk Königswinter (WW-K) vor der Herausforderung steigender Energiepreise. Es hat deshalb gezielt in Digitalisierung und Effizienzsteigerung investiert, um den Energieverbrauch zu senken und die Produktion zukunftsfähig zu machen. 2024 wurde der Ofen zur Erhitzung des Stahls komplett umgebaut und mit moderner Brennertechnologie sowie einem computergestützten Ofen-Führungssystem ausgestattet. Der Gasverbrauch reduzierte sich deutlich und die Prozessqualität verbesserte sich.
Auf einen Blick
- Projektstart: 2022
- Investitionskosten: 3.118.903 €
- Berechnete Einsparungen pro Jahr (Hochrechnungen vor dem Umbau):
- Erdgas: 5,3 GWh
- Strom: 0,33 GWh
- Material: 500 t
- CO2: 2.500 t
- Amortisationszeit: ca. 4 Jahre
- Fördermittelzuschuss: 1.112.760 €
- Förderprogramm: Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (BAFA), Modul 4: Energie- und ressourcenbezogene Optimierung von Anlagen und Prozessen
Ausgangszustand: Ein Ofen aus den 1980er Jahren
Am Fuß des Petersbergs in Königswinter verbindet die WW-K Warmwalzwerk Königswinter GmbH traditionelle Metallbearbeitung mit modernster Prozesssteuerung. Das im Konzern 1957 entstandene Werk produziert seit 2010 als mittelständisches Unternehmen auf dem Gelände der ehemaligen Lemmerzwerke warmgewalzten Breitflachstahl für Auftraggebende aus den Branchen Automotive, Stahlhandel und Offshore.
Der alte, analog gesteuerte HD-Ofen von 1982 war einerseits das Herzstück des Warmwalzwerks, andererseits lag schon länger auf der Hand, dass er dringend modernisiert werden muss: Die neun Nackenbrenner waren nicht modulierbar, Ersatzteile kaum noch zu haben. Die Wartungsrisiken summierten sich. Neue Normanforderungen verlangten zudem Anpassungen der Gas-Sicherheitstechnik und der Energieverbrauch lag jenseits dessen, was durch moderne Technik möglich ist. Es war klar: Wenn hier nichts geschieht, droht Stillstand.
EMB Herbert Landsberg und Instandhaltungsleiter Bernd Görres hegten schon seit Jahren den Wunsch, den Ofen zu modernisieren – doch die hohen Kosten, die Unsicherheit und die Tatsache, dass der laufende Betrieb des Werkes länger unterbrochen werden muss, hielten sie immer wieder von Umsetzung des Projekts ab.
Umsetzung: Wagnis und Kraftakt
Man kann nicht alles allein stemmen. Suchen Sie sich Partner, die mitdenken und unterstützen. Erfahrene Fachleute bringen den Blick von außen ein und sind für die Umsetzung unverzichtbar.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
2022 entschied die Geschäftsführung: Der Umbau soll kommen. Der Energieverbrauch war längst zum Wettbewerbsfaktor geworden – Energie nach Material und Personal inzwischen der drittgrößte Kostenblock. Außerdem wuchs der Druck der Auftraggebenden, den CO₂-Fußabdruck der Produkte auszuweisen und Nachhaltigkeit messbar zu machen.
Mit Unterstützung der Effizienz-Agentur NRW (efa) und externer Beratung begann die Planung. Die Aufgabe war komplex: Fördermittel prüfen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen, Sicherheitskonzepte überarbeiten, Partner für die technische Umsetzung finden und die Geschäftsführung überzeugen.
Herbert Landsberg und Bernd Görres entschieden sich bewusst gegen die kostengünstigste Lösung, dafür aber für die zukunftsfähigste: wasserstofffähige Deckenbrenner, digitale Steuerung, ein computergestütztes Ofen-Führungssystem (OFS).
Ein vierwöchiger Kraftakt
Der Umbau musste im laufenden Produktionsjahr stattfinden. Dafür standen nur vier Wochen zur Verfügung, in denen die Produktion stillgelegt werden konnte. Die tatsächliche Umbauzeit betrug nicht einmal drei Wochen, denn der Ofen musste zunächst abkühlen und am Ende wieder langsam auf Prozesstemperatur gebracht werden.
- Die komplette Ofendecke wurde abgetragen, die alten Nackenbrenner entfernt, das Mauerwerk erneuert.
- 36 neue, individuell steuerbare Deckenbrenner wurden installiert.
- Ein Frequenzumrichter für den Verbrennungsluftventilator wurde nachgerüstet.
- Eine moderne Siemens S7-1500 Steuerung und das OFS-System wurden integriert – inklusive Sensorik, Verkabelung, Software-Tests und Inbetriebnahme.
- Parallel erfolgten Sicherheits- und Brandschutzabnahmen und der Prozess wurde kalibriert.
Es war ein technischer Kraftakt und ein logistisches Meisterwerk: Der Ofen ging zum geplanten Termin wieder in Betrieb, pünktlich, sicher und mit moderner Software.
Entscheidend für die schnelle Inbetriebnahme des neuen OFS waren die zahlreichen Prozessdaten, die in den vergangenen Jahren gesammelt wurden. So konnte die computergestützte Software umfänglich angelernt werden. Auch die langjährigen Erfahrungswerte der Mitarbeitenden wurden in die Programmierung integriert.
Ergebnis: Einsparprognosen übertroffen
Das neue Ofen-Führungssystem (OFS) verknüpft Temperatur-, Druck- und Sauerstoffwerte aus dem Ofen mit den Daten aus dem ERP-System. Es berechnet einen idealen Anlagenfahrplan und erkennt beispielsweise, ob das Material noch gewalzt werden kann oder ob über die produktionsfreie Zeit verbleibt.
Im Ofen angekommen werden die Stahlbrammen dauerhaft durch das OFS überwacht. Das System berechnet die optimale Ofentemperatur der einzelnen Zonen unter Berücksichtigung der Ziel-Kerntemperatur. Die nötige Gas- und Brennluftzufuhr wird automatisch geregelt. Die optimale Temperatur reduziert nicht nur die Zunderbildung, also den Materialverlust durch die Reaktion mit Sauerstoff, sondern auch den Gasverbrauch und die damit benötigte Energie.
Die Mitarbeitenden profitieren ebenfalls: Der Ofenbediener überwacht heute zwei Bildschirme, statt manuell Temperaturen nachzuführen. Das neue System entlastet, standardisiert und macht Fehler unwahrscheinlich.
Die prognostizierten Zahlen sprechen für sich:
- 5,3 GWh Erdgasersparnis pro Jahr
- 0,33 GWh weniger Stromverbrauch
- 500 Tonnen weniger Materialverluste
- 2.500 Tonnen CO₂-Reduktion jährlich
Diese Einsparungen beziehen sich auf Hochrechnungen, da der Umbau zum Zeitpunkt des Interviews noch keine 12 Monate zurücklag. Doch es scheint, dass die tatsächlichen Einsparungen die Prognosen deutlich übersteigen. So konnte laut Herbert Landsberg:
- der Gasverbrauch sogar um etwa 15 Prozent statt der vorhergesagten 8 bis 10 Prozent reduziert werden.
- Auch das Einsparpotenzial beim Stromverbrauch stellt sich ähnlich dar: Die berechneten 40 bis 50 Prozent konnten übertroffen werden.
Die Amortisationszeit liegt – mit Förderzuschuss – bei ungefähr vier Jahren.
Was als technische Notwendigkeit begann, hat sich zu einem echten Lernprozess für das gesamte Werk entwickelt. Der Umbau des HD-Ofens ist uns Beweis dafür, dass technologische Erneuerung und wirtschaftliche Vernunft zusammengehen – wenn man sie gut plant und konsequent umsetzt.
Kontakt
Stefan Scheele
Warmwalzwerk Königswinter WW-K Betriebsleiter und Prokurist