Digitale Flexibilisierung: So wird Infrastruktur zum Energiespeicher
Stand: September 2025Am unteren Niederrhein in Nordrhein-Westfalen trifft traditionsreiche Landwirtschaft auf moderne Technologie: Die Firma Ornua Foods Deutschland GmbH verarbeitet hier jährlich rund 80.000 Tonnen irische Butter für den deutschen und österreichischen Markt. Seit der Standortgründung im Jahr 2007 ist nachhaltiges Energiemanagement ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie.
Angesichts rasant steigender Energiepreise und verschärfter gesetzlicher Anforderungen stellt sich eine entscheidende Frage:
Wie lässt sich ein energieintensiver Produktionsstandort wirtschaftlich und klimafreundlich betreiben, ohne Produktionsrisiken oder zusätzliche Investitionen in neue Anlagen?
Aufbauend auf dem bestehenden Energiemanagementsystem kommt flexible Lastverschiebung hinzu – ein zentraler Baustein modernen Energiemanagements. So lässt sich vorhandene Infrastruktur als Energiespeicher nutzen, gesteuert durch intelligente Software und abgestimmt auf den Energiemarkt.
Falco Labrenz, Energiemanagementbeauftragter bei Ornua, fasst es treffend zusammen: „Nur ein intelligentes, flexibles Energiemanagement bringt das Unternehmen zukunftssicher weiter.“
- Projektstart: 2023
- Investitionskosten Infrastruktur & Programmierung: 5.500 € | Jährliche Softwarekosten: 6.000 €
- Einsparung im ersten Jahr: ca. 9.670 € | Amortisationszeit: 14 Monate
- Lastverschiebung (2024): 420 MWh | CO2-Reduktion: ca. 126 t CO₂
- Fördermittel: Nicht in Anspruch genommen
Ausgangszustand: Energiemanagement – mit ungenutztem Potenzial
Ornua verfügt bereits seit 2016 über ein zertifiziertes Energiemanagementsystem (EMS) nach ISO 50001. Auch flexible Stromtarife, der Umstieg auf elektrische Prozesse und ein hohes Nachhaltigkeitsbewusstsein waren vorhanden – somit war die Basis für weitere Effizienzmaßnahmen gelegt. Besonders in vier Bereichen identifizierte Falco Labrenz ungenutzte Chancen:
- Druckluftsysteme mit vier Kompressoren
- Lüftungs- und Hallenkühlanlagen
- Elektrodampferzeugung
- Tiefkühl-Reworker-Anlagen
Diese energieintensiven Anlagen arbeiteten effizient, doch der Energieverbrauch war noch nicht flexibilisiert. Zwar gab es ein EMS, doch ein zentraler Baustein fehlte: die Möglichkeit, Energie gezielt zu den Zeiten zu nutzen, in denen sie am günstigsten und grünsten zur Verfügung steht.
Also beschloss das Team um Energiemanager Falco Labrenz, sich nach einer smarten Lösung umzusehen – einer Ergänzung zum bestehenden System, die nicht nur Daten liefert, sondern auch gleich automatisch reagiert: : auf aktuelle Energiebedarfe, momentane Strompreise und Netzbelastung.
Maßnahmen: Mit KI zur flexiblen Steuerung
Seit 2023 setzt Ornua auf die KI-basierte Energiemanagement-Plattform „flexOn“ des Technologieunternehmens encentive. Die Software arbeitet in Verbindung mit einem flexiblen Stromtarif und analysiert dabei die dynamischen Preise.
Auf dieser Grundlage erstellt sie präzise Verbrauchsprognosen und steuert die energieintensiven Kühl- und Wärmeanlagen automatisch und zuverlässig. Sie plant den Energieeinsatz im Unternehmen für die nächsten 24 bis 72 Stunden und passt ihn in Echtzeit an.
Ein großer Vorteil für die schnelle Einführung des Systems war laut Torge Lahrsen, Gründer und Geschäftsführer von encentive, das bestehende Energiedaten-Monitoring: „Wir hatten hier eine sehr gute Grundlage, da eben sehr viele Datenpunkte auch schon zusammengeführt waren“. Diese verlässliche Datengrundlage ermöglicht einen reibungslosen Einsatz und hilft dabei, das KI-Modell zügig zu trainieren.
Neben dem bestehenden Energiemanagement setzt Ornua auf weitere digitale Maßnahmen. Dazu gehören Effizienzanzeigen für Rework-Anlagen, ein digital gesteuertes Lastabwurfsystem sowie Schaltmöglichkeiten direkt an den Anlagen. Ein visualisiertes Dashboard bietet zudem Transparenz über Lastgrenzen und Strompreise.
Ergänzt wird das Konzept durch die Umstellung der Dampferzeugung von Gas auf hocheffiziente Elektrosysteme sowie die Gründung eines Predictive Maintenance-Teams unter Leitung von Falco Labrenz. Diese Maßnahmen führten nicht nur zu konkreten Energieeinsparungen, sondern machten Effizienz im Unternehmensalltag sichtbar und greifbar.
Falco Labrenz zieht ein positives Fazit: „[Die Maßnahmen] wurden sehr gut angenommen. Die Rückmeldungen waren alle positiv und die Motivation mitzuhelfen ist auch gegeben, was auch erforderlich ist, um so ein innovatives Projekt betreiben zu können“. Die Mitarbeitenden sind so aktiver Teil der Veränderung geworden – und tragen entscheidend dazu bei, dass Energieeffizienz nicht nur geplant, sondern auch gelebt wird.
Herausforderungen
Eine der größten Herausforderungen lag in der präzisen Kommunikation zwischen der neuen Steuerungssoftware und den bestehenden technischen Systemen. Die Software musste nicht nur Strompreisdaten in Echtzeit analysieren, sondern daraus auch exakt getimte Steuerbefehle ableiten.
Besonders anspruchsvoll war die Abstimmung mit den betrieblichen Rahmenbedingungen. Die Software flexOn musste zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Sekundärprozesse wie Kühlung steuern, unabhängig von den sensiblen Abläufen der Produktion. Dem Team um Torge Lahrsen gelang es, diese technische Integration während des laufenden Betriebs umzusetzen – ohne Produktionsausfälle oder Unterbrechungen. Das Zusammenspiel aus energiewirtschaftlicher Optimierung und betrieblicher Praxis wurde damit erfolgreich etabliert.
Falco Labrenz betont, dass bei Ornua dafür ein flexibler Stromtarif unerlässlich ist, da im Unternehmen selbst keine Energie erzeugt wird. Ohne einen solchen Tarif gibt es keinen günstigen Stromanteil aus erneuerbaren Energien, dessen Nutzung sich zeitlich geschickt in den Produktionsprozess eintakten lässt. Wenn ein Unternehmen selbst regenerative Energien produziert, kann es auf einen solchen Tarif verzichten.

Die Schwierigkeit bei diesem Projekt lag in der Kommunikation der Systeme. Dafür zu sorgen, dass die richtigen Signale an der richtigen Stelle, zum richtigen Zeitpunkt, den Aufheizprozess starten. Dies ist uns gemeinsam gelungen.
Ergebnis: Mit Flexibilität Energie sparen
- Effizienter Betrieb: Die KI-gestützte Energiemanagement-Plattform optimiert den Einsatz energieintensiver Kühl- und Wärmeanlagen.
- Kostenvorteile nutzen: Die automatische Anpassung des Energieverbrauchs an dynamische Strompreise ermöglicht die Nutzung günstiger Zeitfenster.
- Schnelle Amortisation: Die Investition hat sich bereits nach 14 Monaten bezahlt gemacht.
- Mehr Transparenz & Flexibilität: Digitale Technologien schaffen Klarheit im Energieeinsatz – ohne Abstriche bei Qualität oder Versorgungssicherheit.
- Reaktionsschnell in Echtzeit: Das System reagiert sofort auf Preissignale und nutzt Energie, wenn sie am nachhaltigsten und günstigsten verfügbar ist.
- Mitarbeitende eingebunden: Mehr Verständnis für Energieprozesse steigert die Akzeptanz und Motivation im Team.
- Nachhaltig & zukunftssicher: Der Energieeinsatz wird präziser, effizienter und ressourcenschonender gestaltet.

Die Themen Nachhaltigkeit und Energie sind in unserer Unternehmensstrategie tief verankert. Wir tun alles dafür, um Energieressourcen nicht zu verschwenden, sondern sparsam einzusetzen. Energieeffizienz und Digitalisierung haben wir immer im Fokus.
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